Schmetterlingsflieder: Fluch oder Segen für die Insektenwelt?

Sommerflieder

Im letzten heißen Sommer 2018 hatten wir täglich zwischen 100 und 200 Schmetterlinge im Garten. Unter den vielen blühenden Pflanzen gab es eine, auf die sie offenbar besonders flogen: der Schmetterlingsflieder, auch Sommerflieder oder Buddleja davidii genannt. Tagsüber tranken Tagfalter wie das Pfauenauge oder Admiral, Taubenschwänzchen und verschiedene Hummelarten seinen Nektar. In der Dämmerung war dann Schichtwechsel und die Nachtfalter machten sich über die Blüten her. Gerade in den Monaten von Juli bis September ist der Sommerflieder eine wertvolle Nektarpflanze, weil er spätsommerliche Trachtlücken schließt.

Trotzdem wird der Schmetterlingsflieder als „invasiver Neophyt“ immer wieder kritisiert. In der Schweiz steht er sogar auf der schwarzen Liste der Pflanzen, deren Ausbreitung verhindert werden soll. Was ist dran?

 

 

Um diesen Inhalt zu sehen, musst du erst die Cookies akzeptieren.


 

Um diesen Inhalt zu sehen, musst du erst die Cookies akzeptieren.


 

Sind Neophyten schlecht für unsere heimische Insektenwelt?

„Neophyt“ heißt sinngemäß „botanischer Neubürger“. Der Schmetterlingsflieder kommt ursprünglich aus China und Tibet und wurde angeblich im 19. Jahrhundert von einem Jesuitenmönch nach Europa eingeführt.

Neophyten gibt es viele in unseren Gärten, und manche von ihnen sind durchaus wertvoll für unsere heimische Insektenwelt: etwa Mittelmeerkräuter wie Lavendel oder Oregano. Oder die Herbstanemone aus Asien, die als eine der wenigen Pflanzen bis spät in den Oktober blüht. Andere Neophyten wie etwa Palmen oder Forsythien hingegen sind für unsere Insekten völlig nutzlos.

 

„Schmetterlingsflieder ist invasiv“ Was ist dran am Vorwurf?

Das stimmt. Die Pflanze mit ihren bis zum drei Millionen Samen breitet sich rasant aus. Vor allem entlang von Bahndämmen bildet sie oft  lila ‚Schluchten‘ von mehreren hundert Metern. Unklar bleibt jedoch, ob sie an Bahndämmen wirklich heimische Pflanzen verdrängt. Die Bahn gilt als einer der größten Glyphosat-Verwender in Deutschland. Gerade entlang der Bahntrassen wird regelmäßig gespritzt, so dass zweifelhaft ist, ob hier heimische Pflanzen überhaupt eine Chance hätten.

Anders sieht das auf Brachflächen aus, die durchaus ökologisch wertvolle Lebensräume darstellen. Pflanzen, die trockene und magere Standorte lieben, wie z.B. Natternkopf, Mohn oder Resede, gedeihen hier prächtig. Wo sich der Schmetterlingsflieder breit macht, haben sie tatsächlich kaum eine Chance. Das Problem an Brachen ist jedoch aus ökologischer Sicht ein anderes: Über kurz oder lang werden Brachen in Bauland oder Gewerbeflächen umgewandelt und versiegelt. Das ist dann das Ende aller Pflanzen.

 

Zupfen und Schneiden hilft im Garten

In Privatgärten stellt sich das Ausbreitungs-Problem weniger, denn hier hat der Gärtner den Hut auf: Er kann verblühte Rispen abschneiden, die Triebe mit einem Handgriff ausreißen. Es gibt auch sterile Sorten, die sich nicht vermehren. Doch sie sind keine gute Nahrungsquelle für Insekten.

 

Schmetterlingsflieder

„Sommerflieder macht Schmetterlinge betrunken!“

Der Vorwurf ist ebenfalls oft zu lesen. Verantwortlich dafür seien duftverströmende  Substanzen, so genannte Glycoside. Sie machten die Schmetterlinge angeblich so taumelig, dass sie seltsamen Verhalten zeigten: etwa regungslos an der nächsten Hauswand kleben. So seien sie leichte Beute für Vögel.

Recherchiert man ein wenig, stößt man auf eine einzige Quelle: Diese Aussage geht zurück auf Beobachtungen des Schmetterlingsexperten Prof. Harm Glashoff. Eine wirklich valide Studie hierzu wurde unseres Wissens nie gemacht. So lange es bei dieser Einzelbeobachtung bleibt, heißt es: abwarten, ob sich die Beweise häufen. Erst dann müsste man diese Pflanze neu bewerten.

 

„Schmetterlingsflieder allein hilft nicht!“

Das stimmt. Wer wirklich Schmetterlinge in seinen Garten locken möchte, muss das Nektarangebot nicht nur durch heimische Wildpflanzen ergänzen, sondern auch an die Raupen denken! Gute Raupenfutterpflanzen sind etwa Wilde Möhre, Kohl, Faulbaum, Brennnesseln, wilder Fenchel, Hornklee und bestimmte Gräser.

Kohlweißlingraupen

 

Unser Fazit: Heimische Wildpflanzen sind immer die bessere Wahl!

Letztlich muss jeder sorgsam für sich abwägen, ob für ihn die Vor- oder Nachteile überwiegen. Wir halten nicht viel von den Glaubenskriegen, die über diese Pflanze geführt werden. In einer Welt, in der die sterilen Schottergärten Überhand nehmen, zählen auch kleine Schritte!

Für uns ist der Sommerflieder auch ein Türöffner, eine wunderbare Anfänger-Pflanze für Menschen, die noch in ihrer Thuja-Kirschlorbeer-Wüste leben. Wir haben Menschen erlebt, die, nachdem sie einen Sommerflieder gepflanzt haben, zum ersten Mal wieder einen Schmetterling gesehen haben – nach vielen Jahren!

Natürlich darf es nicht bei diesem ersten Schritt bleiben. Langfristig müssen auch eine Brennnesselecke, Faulbaum und andere Raupenpflanzen her. Und viel Toleranz, bei Raupen-Fraßspuren am Kohl nicht gleich die Giftspritze rauszuholen.

Unterm Strich aber bieten heimische Wildstauden ein besseres Nahrungsangebot, vor allem für bedrohte und spezialisierte Insektenarten wie viele der über 500 Wildbienenarten in Deutschland. Empfehlenswert sind z.B. Skabiosen, Flockenblumen, Natternkopf oder Glockenblumen.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar